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Stephan Wissner • Vordiplom NT2 • SS2005
Köln International School of Design
Betreut durch Stefan Terlinden
Lehrgebiet Audiovisuelle Medien
„Helden aus Knete"
Über die Filme & Erfolge des britischen Filmstudios Aar
4 Vorwort
6 Die Geschichte des Knetgummi-Stop-Trick-Films
Von „Voyage dans le Lune" bis zu „die Tintenfische aus dem zweiten Stock"
10 Die Geschichte der Aardman Studios
& kurze Filmographie
Von Knetereien am Küchentisch zu Chicken Run
18 Technik bei Aardman
Über Haargel, Glasperlen und Motion-Control-Systeme,
28 Wallace & Gromit, Chicken Run
Von der West Wallabee Street zum Hühner KZ,
elektrischen Zahnbürsten und „Feng Shaun"
„Was macht die Filme des Aardman Studios so erfolgreich?"
46 Quellen
4 Vorwort
6 Die Geschichte des Knetgummi-Stop-Trick-Films
Von „Voyage dans le Lune" bis zu „die Tintenfische aus dem zweiten Stock"
10 Die Geschichte der Aardman Studios
& kurze Filmographie
Von Knetereien am Küchentisch zu Chicken Run
18 Technik bei Aardman
Über Haargel, Glasperlen und Motion-Control-Systeme,
28 Wallace & Gromit, Chicken Run
Von der West Wallabee Street zum Hühner KZ,
elektrischen Zahnbürsten und „Feng Shaun"
„Was macht die Filme des Aardman Studios so erfolgreich?"
46 Quellen
Helden aus Knete?
Animationsfilme erleben derzeit eine riesige Nachfrage:
Shrek (in zwei Teilen), Monster-AG, Ice Age, Grosse Haie, kleine Fische – um
nur einige wenige zu nennen. Der technische Aufwand, der dabei betrieben
wird um immer detailgetreuer und angeblich realitätsnäher zu werden, ist
immens. In Shrek rechneten 800 Prozessoren neben den Charakteren über
28.000 Bäume mit mehr als drei Milliarden Blättern, jeder Protagonist ist
aus über 800.000 Polygonen aufgebaut.
Der Gigantomanie dieser 3D-Abenteuer, die ohne den Einsatz von Compu-
tern nicht ansatzweise denkbar wären, stehen einige wenige Stoptrickfilme
gegenüber, bei denen von Hand modelliert und animiert wird.
Die vorliegende Arbeit soll sowohl einen Einblick in die Geschichte des Knet-
films als auch in das Werk der britischen Aardman Studios geben.
Diese setzen mit Filmen wie Chicken Run oder den Abenteuern von Wallace
& Gromit dem Trend zu technischer Perfektion und computergeneriertem
Photorealismus liebevolle Plastilin-Animationen entgegen.
„Morph", Aardman Animations, 1981
Was im ersten Moment vielleicht nach Low-Fi klingt, ist jedoch tatsäch-lich mit derart viel handwerklicher Präzision und hohem technischen und finanziellem Aufwand verbunden, dass der Aufwand anfangs erwähnter 3D-Abenteuer im Direktvergleich eher klein wirkt.
Wie konnten zwei Jungs, die am Küchentisch kneteten und zu filmen begannen, es schaffen, ein Millionenpublikum zu begeistern? – Ziel dieser Arbeit ist es, Einblick in das seltene Genre des Abenteuer-Knetgummi-Stop-Trickfilms zu geben und den grossen Erfolg des Aardman-Werkes – gerade in Zeiten monumentaler 3D-Abenteuer – zu ergründen.
Leider blieben alle meine Anfragen nach Bild- und Infomaterial bei Aardman
erfolglos. So stützt sich die Arbeit zum Grossteil auf einige Presseberichte,
das Buch „Cracking Animations – The Aardman Book of Animation" und eine
Reihe von Interviews mit Peter Lord und Nick Park.
Geschichte des Stoptrick-Knetfilms
Bereits in der Anfangszeit des Films entstanden die ersten „Knetfilme".
In Le Voyage dans le lune von Georges Méliès aus dem Jahre 1902, in dem
Alfred Clark
eine Rakete auf dem Auge des Mondes landet, wird erstmalig die Stop-mo-
„The execution of Mary Queen of Scots"
tion-Technik verwendet, die durch Zufall entstand.
Die Kamera, die Méliès anfangs benutzte, produzierte einen unerwarteten
Effekt als er auf dem Opernplatz filmte. Sie blieb stehen und Méliès benö-
tigte eine Minute um sie wieder zum Laufen zu bringen. Als er sich den Film
später anschaute, hatte sich ein Bus in eine Pferdekutsche verwandelt und
dort wo vorher Männer standen, standen nun Frauen. Obwohl diese Technik
bereits ein Jahr vorher in The Execution of Mary Queen of Scots eingesetzt
wurde, um einen Schauspieler der geköpft werden sollte in letzter Sekunde
Georges Méliès
durch eine Puppe zu ersetzen, war es Méliès, der sie weiter entwickelte und
„Le Voyage dans la lune"
perfektionierte.
1908 folgte der Film The sculptor's nightmare von Wallace McCutchon, für
den er in einer Alptraumsequenz Politiker aus Plastilin modellierte.
1917 schliesslich benutzte Helena Smith Dayton menschliches Haar und
echte Kleidung, um ihren Puppen mehr Realismus zu verleihen.
Auch Willis O'Brien setzte in seinen Kurz-Trickfilmen – die sich zumeist mit
prähistorischen Monstern befassten – sehr früh Plastilin ein. 1915 gelang es
ihm, einen Produzenten zu finden, der ihm einen weiteren fünfminütigen
Wallace McCutchon
Kurzfilm finanzierte. 1925 kam sein erster Spielfilm The lost World (nach
„The sculptor's nightmare"
einem Roman von Athur Conan Doyle) auf die Leinwände. Angeblich waren
die in diesem Film enthaltenen Animationen so ungewöhnlich, dass einige
Zuschauer sie tatsächlich für real hielten. O'Brien gilt als Inspirationsquelle
für zahlreiche andere Animatoren und deren Filme, beispielsweise für Bus-
ter Keatons The three Ages von 1923 oder Monsters of the Past (1928).
1933 kreierte O'Brien die Spezialeffekte für den extrem erfolgreichen Kino-
film King Kong. Auch in weiteren King Kong-Verfilmungen zeichnete O'Brien
Willis O'Brien
„The lost world"
für die Special-Effects verantwortlich.
Ray Harryhausen sah King Kong und war derart überwältigt, dass auch er
Animator werden wollte.
Als ihm 1946 King Kong-Schöpfer Willis O'Brien – dem Harryhausen Ende der
30er Jahre zuerst begegnet war – anbot, bei dem Projekt Panik um King Kong
mitzuarbeiten, wurde für den 26-jährigen Harryhausen ein Traum wahr.
Anfang der 50er Jahre wurde Harryhausen vom Produzenten Hal E. Chester
verplichtet. Für ihn arbeitete Harryhausen an dem Low-Budget-Film Panik in „King Kong", Spezialeffekte: Willis O'Brien
New York (1953) nach einer Geschichte von Ray Bradbury.
Mit dem Film Das Grauen aus der Tiefe (1955), in dessen Mittelpunkt ein rie-
siger Oktopus ganz San Francisco verwüstet, begann die überaus fruchtbare
und erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Harryhausen und Produzent
Charles H. Schneer. Gemeinsam realisierten sie die Klassiker Fliegende Un-
tertassen greifen an (1956), Die Bestie aus dem Weltenraum, Sindbads siebte
Reise (1958), die ideenreiche Verfilmung von Jonathan Swifts Gullivers Reisen
unter dem Titel Herr der drei Welten (1960) und die Jules Verne-Adaption Die
geheimnisvolle Insel (1961).
In Jason und die Argonauten (1963), wurde die Sindbad-Szene, in welcher der
Held mit einem Skelett kämpft, noch einmal aufgegriffen, nur dass diesmal
der Protagonist gegen eine ganze Armee aus Skeletten fechten muss (siehe
unten) – an dieser fünfminütigen Szene arbeite Harryhausen über 4 Mona-
te.
Ray Harryhausen, „Das Grauen aus der Tiefe" &
„Kampf der Titanen"
Die Knetanimation verlor nach und nach durch Disneys marktbeherrschen-
de Stellung im Animationsgeschäft zusehends an Bedeutung.
Erst 1955 kreierte Art Clokey eine Figur, die in insgesamt 127 6-minütigen
Episoden zusammen mit ihrem Pferd Plokey die Herzen der Zuschauer ero-
berte: Gumby. Der pfiffige, kleine Knetmann erlebte zahlreiche Abenteuer,
die Clokey größtenteils mit Realfilm mischte.
Clokey schuf mit sehr begrenztem Budget eine einfach zu animierende
Figur mit den Gesichtszügen eines Pfefferkuchenmanns, die das Interesse
an Knetanimationen wiederbelebte – auch heute erfreut sich Gumby noch
starker Beliebtheit. 2003 erschien die DVD Gumby und seine Freunde, im
Internet existieren zusätzlich zahlreiche Fansites. In den 80er jahren erlebte
Gumby eine Wiedergeburt, wurde sogar Rockstar und Held eines 90minü-
tigen Spielfilms, der es aber nie auf die Kinoleinwand schaffte und nur als
Video erschien.
Art Clokeys „Gumy", hier zusammen mit
seinem Pferd Plokey schaffte es 1955 das
Interesse am Knetfilm wiederzubeleben
„Closed Mondays" von Will Vinton erhielt 1974 einen Oscar in der Kategorie „Bester Kurzfilm – Trick"
Vom Erfolg und Wandlungsfähigkeit Gumbys angetan, experimentierte
auch Will Vinton mit Knetanimation: Sein erster Kurzfilm Closed Mondays,
in dem ein Betrunkener in einer Gallerie lebendige Bilder sieht, beinhaltet
lippensynchrone Animation und für den Stoptrick sehr komplexe Kamerabe-
wegungen wie Schwenks, Fahrten und Zooms und barchte ihm 1974 sogar
einen Oscar in der Kategorie „Bester Kurzfilm – Trick" ein.
Vinton sicherte sich den Begriff Claymation und realisierte in den Folgejah-
ren zahlreiche weitere Filme, die auf Plastilin setzten:
1985 gelang ihm mit Die Abenteuer von Mark Twain ein erster abendfüllen-
der Kinofilm, dessen Erfolg ihm viele Werbeaufträge einbrachten, u.A. für
Nike, United Airlines und Kalifornische Rosinen. Er zeichnete sich zudem
verantwortlich für Michael Jacksons Musikvideo zu Moonwalker und die
Spezialeffekte im Disney-Kinofilm Die Rückkehr des Zauberers von Oz.
Vinton erhielt eine Vielzahl an Auszeichnungen und unterhält noch heute
die Vinton Studios, die im Laufe des Jahres einen neuen Stoptrick-Kinofilm
Tim Burtons (bekannt durch Nightmare before Christmas) veröffentlichen
werden.
Die Tintenfische aus dem zweiten Stock:
Seit den siebziger Jahren turnen zahlreiche Knetfiguren auch auf deutschen
Die tschechische Familie Holan möchte
endlich in den Urlaub fahren. Während die
Bildschirmen herum (die Tintenfische aus dem zweiten Stock, Luzie, der Schre-
Mutter und die beiden Kinder zu Hause
cken der Straße mit den Knetfiguren Friedrich und Friedrich, die Plonsters in
schon die Koffer gepackt haben, müssen
sie noch auf den Vater warten, der Fern-
der Sesamstraße oder die Ompis in der Rappelkiste und Pingu).
fahrer ist und gerade wegen eines Streikes
an der Grenze festsitzt und nicht rechtzei-
tig kommen kann . Als sie dann schliesslich
doch noch ihre Reise beginnen können
kommen sie allerdings an einen durch ei-
nen Tankerunfall im Meer verseuchten
Strand. Dort finden die Kinder eine blaue
und eine grüne Masse und kneten zwei
Tintenfische daraus. Doch diese Figuren
haben ein Eigenleben – denn sie können
sprechen und sich von selbst bewegen.
Fiedrich & Friedrich
Plonsters
Die Geschichte des Studios.
Die Geschichte der Aardman Studios beginnt im Teenageralter der beiden Gründer Peter Lord (später: Produzent) und David Sproxton (später: Regis-seur und Kameramann). Sproxtons Vater arbeite als Produzent bei der BBC und besaß eine eigene 16mm Bolex-Kamera, die neben Film- auch Einzel-bildaufnahmen ermöglichte.1
Eines Tages versuchten die zwei sich an Animation: Sie malten auf eine
Kreidetafel, stpppten die Kamera, wischten Teile weg, starteten die Kamera
erneut, stoppten, malten neue hinzu und ließen die Kamera erneut laufen.
Und obwohl das Resultat freilich noch meilenweit von der technischen
Perfektion von Filmen wie Chicken Run entfernt war, waren die zwei hoch-
zufrieden, als der Film aus der Entwicklung zurückkamen und sie das erste
Die Gründer: David Sproxton & Peter Lord
Stück gemeinsamer Arbeit bewundern konnten.
Inspiriert von den Filmen Ray Harryhausens versuchten sich Peter Lord und
David Sproxton bald danach mit animierten Knetfiguren, das Set war dabei
Davids Küchentisch.
Vernon Sproxton, Davids Vater war angetan vom Tun der beiden Tüftler und
zeigte deren Werk dem Produzenten von Vision-On, einem Programm für
Taubstumme, damals das einzige Forum für Animation bei der BBC. Tatsäch-
lich wurden die Jungs engagiert, für das Programm zu arbeiten.
Um den Verdienst ihrer Arbeit anzulegen benötigten die Jungfilmer 1972
einen Namen, auf den sie das gemeinsame Bankkonto laufen lassen konn-
ten. Sie entschieden sich für Aardman Animations2. Aardman war eine ihrer
frühen Schöpfungen (eine Art Superman, allerdings so verblödet, dass er die
Unterhose immer über seinem Anzug trug.).
Der Namensgeber: Aardman
1) Nick Park, der Jahre später zu Aardman stieß, zeigt Ähnlichkeiten in seiner Biografie: Sein Vater arbeite als professioneller
Fotograf. So hatte auch Park sehr früh die technischen Möglichkeiten, mit Animation zu experimentieren. Filmen und
Fotografieren waren also keineswegs exotische Hobbies und durch die Väter schon sehr früh alltäglich…
2) Zudem sorgte der Name dafür, immer als erster im Telefonbuch oder anderen alphabetisch geordneten Listen zu stehen.
Nach dem Aardmann größer und größer wurde, waren auch die Nachahmer nicht weit. So gab sich eine walisische Firma,
die für Levi's-Jeans einen populären Spot drehte, den Namen „AAAA-Production" – um im Branchenverzeichnis vor
Aardman zu erscheinen… (vgl. Peter Hossli „Die Erfolge des Gekneteten",
Vier Jahre später eroberte Morph, eine Schöpfung Peter Lords zum ersten
Mal die Herzen der Vision-On Zuschauer – derart erfolgreich, dass man die
Figur ausbaute und ihr 1981 mit der eigenen Sendung The Amazing Adventu-
res of Morph Respekt zollte. So arbeitete das Studio auch in den Folgejahren
vorrangig für die BBC und den englischen Fernsehsender Channel 4. Der
ganz große Erfolg Aardmans setzte allerings erst 1985 ein, als Nick (eigent-
lich Nicholas Wulston) Park dazustieß – 1986 knetete er bereits am Sledge-
hammer-Musikvideo für Peter Gabriel mit. Aardman realisierte im Folge-
jahre auch das Video zu Nina Simones My baby just cares for me und später
weitere, etwa für Tina Turner, Bette Midler und die Spice Girls.
1989 werden in Creature Comforts aus der Serie LipSynch, Zootiere aus Knete
animiert und ihnen Interviews von Einwanderern in den Mund gelegt, die
sich über ihre meistens weniger schönen Lebensbedingungen beklagen.
Im gleichen Jahr erschien ein Kurzfilm Nick Parks, an dem er schon vor
seiner Zeit bei Aardman gearbeitet hatte, aber erst dort mit den vorhande-
Stieß 1985 zu Aardman: Nick Park
nen technischen Möglichkeiten realisieren konnte: A Grand Day Out – Das
unwiederstehliche Duo aus dem trotteligen Wallace und seinem ihm treu
ergebenen und überaus cleverem Hund Gromit waren geboren…
Der Erfolg von Wallace & Gromit als auch von Creature Comforts und die
Popularität des Sledgehammer-Videos verschaffte dem Studio eine größere
„Es (der Knetfilm) ist ein ziemlich
Öffentlichkeit und zahlreiche Werbe-Aufträge
bizarres Medium. Es ist dreidimen-
„Die Werbeindustrie ist immer auf der Suche nach neuen Ideen, oft klauen sie
sional und trotzdem nicht real.
nur etwas und kopieren es, aber manchmal fragen sie auch die Leute selbst,
Die Faszination geht aber auf Nick
die etwas Neues geschaffen haben und bitten sie, etwas zu entwickeln. Wir
Park zurück. Erst seit Creature
bekamen viele Angebote, etwas Ähnliches wie Creature Comforts zu machen,
Comforts erkennen Unterhal-
für Pizzaland etwa. Einiges haben wir gemacht, aber nur, wenn wir den Ein-
tungsindustrie und Werbung die
druck hatten, es brachte uns vorwärts. Wir wollten nicht dasselbe in der Wer-
bung wiederholen, das geht gegen unsere Integrität. Nach Creature Comforts
Steve Box1
habe ich jede Menge Drehbücher mit sprechenden Tieren erhalten. Akzeptiert
haben wir schließlich ein Angebot von Central Heating. Sie gaben uns freie
Hand, wir konnten selbst die Interviews machen und den Ton montieren"1,
sagt Nick Park.
1)
Peter Hossli „Die Erfolge des Gekneteten", http://hossli.com/1996_portfolio/port_96_wallace.html)
Werbespots, von denen Aardman pro Jahr mittlerweile 20-25 realisiert, bil-den eine sehr gute Möglichkeit eigene Projekte zu finanzieren.
Das Studio produziert neben Musikvideos und Werbeaufträgen nicht aus-
schliesslich Filme für Kinder. Nick Park sagt dazu „Eigentlich denken wir nie
an unser Publikum, wenn wir einen Film machen. Wir tun einfach die Dinge,
die uns Spaß machen. Dennoch geht es auch um Kommunikation in unse-
ren Filmen. Wenn wir also das Gefühl haben, dass wir eine Idee nicht richtig
umsetzen können, um sie auch gut zu kommunizieren, dann lassen wir das
bleiben. Aber es wäre sicher falsch zu fragen, worüber sich ein sechsjähriges
Kind amüsieren würde. Wie will man das denn wissen? Um Altersgruppen,
den sozialen Status oder den Intelligenzquotienten unserer Zuseher kümmern
wir uns nicht. Ich denke, das ist auch am ehrlichsten".
Und so begräbt in babylon (1986) ein platzender Waffenhändler eine Schar
seiner Kollegen in einer Flut von Blut und Gedärm – und auch die lieblich
aussehenden Figuren Pib and Pog (1994) sind nicht unbedingt für die lieben
Kleinen geeignet: Pib und Pog schlagen sich nämlich die Köpfe ein und
denken sich immer neue Gemeinheiten für noch fiesere Attacken gegen
den anderen aus (vom Tritt in die Weichteile über eine Ladung Blei aus der
Nichts für Kinder:
oben: Babylon, unten: Pib & Pog
Pumpgun bis hin zum Säureanschlag kommt so ziemlich alles vor, was man selbst nicht erleben möchte).
Mittlerweile ist aus der Animationsschmiede Aardman ein 300-Mann
starkes Unternehmen geworden, das in Bristol 3 Studios betreibt.Das bisher
aufwändigste Projekt ist Chicken Run, das als erster abendfüllender Film
des Studios 2000 in die Kinos kam. Das Werk ist der erste Teil eines 5-Filme-
Deals mit Steven Spielbergs auf Animationen spezialisierte Firma Dream-
works. Weitere Filme in Kooperation mit Dreamworks sind bereits in Produk-
tion: Flushed Away, der von einer Rattenstadt handeln wird und ein Remake
von Disneys The Tortoise and the hare (1936).
Glaubt man den Medien, wird letzterer angeblich ausschliesslich auf 3D-
Computeranimation basieren – und das obwohl sich Nick Park Computera-
nimation gegenüber mit deutlichen Vorbehalten geäußert hat:
„Am Computer ist das Arbeiten viel kopflastiger. Die Animateure haben meist
das erste und das letzte Bild einer Szene vorgegeben und arbeiten dann in
kleinen Schritten den Zwischenraum aus. Da ist nicht viel Platz für Sponta-
neität. Bei Plastilin kann man am Set eine neue Idee gleich umsetzten. Die
Arbeit ist so live wie bei einem Realfilm: Wenn in einer Szene eine Bewegung
zwischen zwei Bildern zu extrem ist, wirkt es nicht flüssig und man fängt von
vorne an. Feuer und Wasser sind das einzige, was wir am Computer gemacht
haben."1
Außenansicht eines der drei Studios, die
Aardman in Bristol betreibt.
Aardman erhielt zahlreiche Auszeichnungen: Peter Lords Adam (1992) und
What's Pig (1996) wurden für den Oscar nominiert. Auch alle drei Abenteuer
von Wallace & Gromit, sowie Creature Comforts wurden in der Kategorie
„Bester Animationskurzfilm" nominiert.
Für Creature Comforts (1991), The Wrong Trousers (1993) und A Close Shave
(1996), erhielt Nick Park dann auch jewels eine der begehrten Trophäen und
wurde 1987 von Prinz Charles zum „Commander of the Order of the British
Empire" (die höchste Auszeichnung unterhalb des Ritterschlags) ernannt.
Bis zum Jahr 2000 gewann das Studio 234 nationale und internationale
Preise für sein Werk.
1)
1978 „Confessions of a Foyer Girl" „Animated Conversations" 1983 „Early Bird" aus der Reihe „Conversation Pieces"
1989 „War Story"
1989 „Ident" aus der Reihe „Lip Synch"
1989 „Wallace and Gromit / A Grand Day out"
1991 „Rex the Runt" – Episoden „Dreams" &
„How Dinosaurs became Extinct"
1992 „Loves Me, Loves Me Not"
1993 „Wallace & Gromit / The Wrong Trousers"
1994 „Pib and Pog"
1995 „Wallace and Gromit / A Close Shave"
1997 „Stage Fright"
1998 „Hum Drum"
1998 „Angry Kid", 3 Episoden
1998 „Al Dente"
1999 „Minotaur and Little Nerkin"
1986 Video zu Peter Gabriels „Sledgehammer"
1987 Video zu Nina Simones „My baby just cares for me"
1996 Video zu Tina Turners „Never in your wildest Dreams"
1996 Video zu „Viva Forever" der Spice Girls
Logoanimation für Channel 4
Werbespot für Chevron (Tankstellen)
Augtragsproduktion „Creature Comforts" für itv1
„Creature Comforts" für TumbleDry Electric (Wäschetrockner)
„Creature Comforts" für HeatElectric (Heizkörper)
„Creature Comforts" für ShowerElectric
Werbespot „Funny Boy" für Prignles
Werbespot für „Kellogg's Cornflakes"
Werbespot für „Terrence Higgins Trust" (Aidshilfe)
Werbespot für Daewoo
Werbespot „Wallace & Gromit" für Jacob's Crackers
Werbespot „Oops" fürWalkers Quavers (Kekse)
Werbespot für „The daily Telegraph"
„Prevacid – Great Balls of Fire" für Tapps Pharmaceutical
„Pirates" für Weetabix Limited (Frühstücksflocken)
Animation ist Illusion – die Bewegung, die der Zuschauer am Ende als sol-
che wahrnimmt, ist nichts anderes als eine Aneinanderreihung unzähliger
Standbilder. Bei Realfilmen (live-action-Filmen) kann jede Szene beliebig oft
durchgespielt und notfalls später wiederholt werden.
Bei Computeranimation müssen im schlimmsten Fall nur Keyframes
(Schlüsselbilder) bearbeitet und die Animation neu berechnet werden – in
allen Bildern, auch denen zwischen den Keyframes, tut dies der Computer.
Aardman hingegen setzt bei seinen Animationen vorwiegend die Stop-Mo-
tion-Technik ein: Es wird ein Bild aufgenommen, die Kamera wird gestoppt,
die Figur minimal bewegt, ein neues Bild aufgenommen und so weiter. Bei
Chicken Run hatte so jeder der 40 Animatoren am Ende des Tages ca. 2,5
Sekunden Film geschaffen, die täglich in ihrer Gesamtheit überprüft werden
mussten, um am Schluss einen einheitlichen Look zu gewährleisten.
Am Ende der Dreharbeiten wuchs die Zahl der Einzelbilder auf über 120.000.
Animationsschritte aus „pib and pog"
Aardman benutzt elektromotorengesteuerte 35mm Mitchell Film Kameras,
die eine sehr gute Bildqualität sichern – Für Hobby-Filmer kann es ruhig
eine Nummer kleiner sein. Während bei Aardman die Aufnahmekosten mit
diesen Kameras in die Tausende gehen, kann Stop-Motion-Animation mit
jeder herkömmlichen Kamera, die die Möglichkeit zur Einzelbildaufnahme
bietet, betrieben werden. Aardman setzt zusätzlich Motion-Control und di-
gital frame store ein – Techniken, die zur Kontrolle und Planung der Animati-
on sehr hilfreich sind.
Um Kamera-Schwenks, Zooms, Kranfahrten etc. im fertigen Film zu errei-
chen, werden vorab alle Kamerabewegungen geplant und anschließend in
Eines der bei Aardman verwendeten
das Motion-Control-System eingegeben. Die Kamera bewegt sich nun bei
jeder neuen Einzelbildaufnahme entlang des vorgegebenen Weges (an X-, Y- und Z-Achse). Das erspart eine Menge Arbeit und sichert gleiche und
wiederholbare Kameraführungen selbst in unterschiedlichen Sets.
Desweiteren existiert ein digital frame store: Dieser ermöglicht es, das aktu-
elle mit dem vorherigen Bid zu vergleichen, um so zu kontrollieren, ob sich
eventuell ungewollt Gegenstände bewegt haben. Auch bei versehentlichem
Umfallen einer Figur, kann diese mittels digital frame store exakt an ihre
Position (aus dem vorherigen Bild) aufgestellt werden.
Obwohl Aardman am Liebsten Plastilin für ihre Figuren benutzen, bestehen
diese nicht ausschließlich aus Knete. Die „Haut" der Hühner in Chicken Run
etwa bestand aus Silikon, nur für die Gesichter wurde Plastilin verwendet.
Im Inneren beherbergt jeder Charakter eine sogenante Armatur, ein beweg-
liches Metallskelett. Je nach angestrebter Bewegungsfähigkeit einer Figur,
kann die Armatur zusätzlich mit Kugelgelenken versehen werden. Durch ihr
Skelett erhalten die Puppen Stabilität und ermöglichen exaktes Fixieren der
Bewegungsschritte.
Für Chicken Run dauerte das Planen und Bauen der insgesamt über 560
Figuren 6 Monate. Der Prototyp einer Figur kostete ca. 10.000 Pfund, jede
weietere Ausführung um 2.000.
Jeder Hauptdarsteller wurde 30 mal in 2 verschiedenen Größen angefer-
tigt. „Wir mussten die Hühner kleiner wirken lassen, wenn sie mit Menschen
zusammen sind – und umgekehrt die Menschen riesig, wenn sie mit den
Hühnern zu sehen sind." (James Mather, Foley Effects Director1)
Aardman verwendet die Grössen 9-12 cm (A-Größe) und 7-12 cm (B-Größe).
Je nach Szene wurden die kleinen oder großen Versionen eingesetzt: Im
Zusammenspiel mit „Menschen", sollten die Hühner sehr klein und weniger
mächtig wirken, dort kamen dann etwa A-Menschen zum Einsatz.
Zudem legte das Team eine Bibliothek an Gesichtsausdrücken an – Lachen-de Münder, geöffntete und geschlossene Augen etc. So konnte sichergestellt werden, dass zum einen beispielsweise Rocky an verschiedenen Sets gleich-zeitig „spielen" konnte, zum anderen erlaubte die Mimik-Bibliothek ein
Metallskelett der Figuren
(oben „Wallace und Gromit")
im „Making of Chicken Run", Teil der DVD „Chicken Run – Hennen Rennen"
Grundmaß an Einheitlichkeit der Gesichtszüge und Vereinfachung für die Animatoren, die somit nicht jedes Lachen oder Weinen komplett neu kneten mussten. Insgesamt wurden über 400 Hühner gefertigt – alle zusammen-gesetzt aus 57 verschiedene Plastilin-Farbtönen, die in einer umgebauten
„90 Prozent des schauspielerischen Kaugummi-Maschine angemischt wurden.Von jedem der Materialien wie-
Ausdrucks der Figuren spielt sich
derum, musste ein ausreichender Vorrat angelegt werden um bei unvorher-
oberhalb der Nase ab"
Nick Park
gesehenen „Unfällen" die Puppen rekonstruieren zu können.
Wie beim „richtigen" Film, spielt die Ausleuchtung der einzelnen Szenen auch im Knetfilm eine äußerst wichtige Rolle. Farbe, Intensität, Richtung: all das entscheidet über die Stimmung im fertigen Film. Aardman setzt die gleichen Lichtquellen wie bei herkömmlichen Drehs ein, nur in „verkleinerten" Versionen. Da die Einzelbilder relativ lange belichtet werden, müssen auch die Lichtquellen nicht sehr hell sein.
Die Szenen werden zumeist mit der „Drei Punkt Beleuchtung" ausgeleuch-tet. Grundlicht (zur Grundausleuchtung), Führungslicht (meist oberhalb der Kamera), das die Rolle der wahrgenommenen Lichtquelle (Sonne) einnimmt und für die Schatten sorgt. Hinzu kommt ein Effektlicht, dass die Figuren vom Hintergrund abhebt und für mehr Tiefe sorgt. Meistens befindet es
„Außenaufnahme" in „A Close Shave"
sich oberhalb der Figuren, an der Hinterseite der Kulisse.
Führungslicht (=Sonne, sorgt für Schatten)
2, 3, 5 Effektlichter, um Teile des LKW zu akzentuieren4
Grundlicht (Grundausleuchtung der Szene)
Da Wind und sonstige Erschütterungen Teile des Sets oder der Figuren uner-wünscht verrücken oder verändern könnten, muss das Set eine ausreichen-de Stabilität besitzen und auch den Figuren einen festen Halt ermöglichen.
Zudem wird vor Bau der Kulissen bedacht, wie sich später die Kamera dar-auf, bzw. hindurch bewegen wird, was zum Beispiel die Größe und Abstän-de der einzelnen Häuser stark beeinflusst. Zudem muss überlegt werden, wieviel Abstand zum Set benötigt wird, um etwa eine Totale der kompletten Kulisse zu ermöglichen.
Das Set von Chicken Run war über 30m lang und ist das größte in der Ge-
schichte Aardmans. Creature Comforts oder die Kurzfilme Wallace & Gromits,
kamen mit wesentlich kleineren Sets aus.
Neben der eigentlichen Kulisse, erfordern auch die Requisiten einen großen
Planungsaufwand: Sei es die Pastetenmaschine aus Chicken Run oder die
wundersamen Gerätschaften des Erfinders Wallace – Alle werden detail-
und massstabsgetreu gebaut und von allen Seiten ausgestaltet, so dass sich
die Kamera auch um sie herumbewegen kann. Mit dem Bau der Maschinen
wird meistens die ebenfalls in Bristol ansässige Firma John Wright Model-
making engagiert (Pastetenmaschine, Wallace' Mottorrad, Knit-O-Matic und
vieles mehr).
Einer der Animatoren bei der Arbeit an
der Fensterputzszene aus „A Close Shave".
Deutlich wird auch die Größenrelation
des Sets und der Figuren zu „realen" Men-
Spezialeffekte
Wie jedes Fernseh- und Kinoabenteuer, kommen auch die Filme aus den
Aardman-Studios nicht immer ohne Spezialeffekte aus. In den seltensten
Fällen kommen dabei aber Computer zum Einsatz – nämlich lediglich bei
Explosionen, Feuer oder Rauch. Flüssigkeiten und Schäume oder Hochge-
schwindigkeits-Verfolgungsszenen entstammen sehr kleinteiliger Anima-
tionsschritte. Auf den folgenden Seiten werden einige der Aardmanschen
Special Effects näher beleuchtet.
In A Close Shave putzt Gromit Fenster. Unmengen von Seifenschaum blub-
bern an der Scheibe, Gromit baumelt an einem Seil und tunkt immer wieder
seinen Schwamm in die Seifenlauge – Schwärme von Seifenbläschen umge-
ben ihn.
Hier wurde die Fensterscheibe mit Haarwachs bestrichen. Auch im Eimer
befindet sich Haarwachs. Die Blasen der Seifenlauge sind eigentlich sehr
kleine Glaskugeln. Kugeln und Wachs werden Bild für Bild animiert. Mit der
Mischung aus Haarwachs und Glaskügelchen lassen sich auch Schaumbä-
der, Rasierschaum und Ähnliches darstellen.
„Wenn in einem Film eine Szene enthalten sein muss um die Handlung zu
verstehen, die Motivation der Charaktere oder einfach nur, da sie die Zuschau-
er zum Lachen bringt, dann wird sie im Film sein – egal welche Probleme bei
der Umsetzung auftauchen."
Nich Park
(in „Wallace & Gromit Storyboard Collection – Unter Schafen)
Ein paar Szenen vorher steht der Hund im traurig im Regen und Tropfen laufen ihm über den Mantel. Der „Regen" wurde vorher mit Glycerin aufgetragen. Dieses hat einen wesentlich höheren Schmelzpunkt als Wasser und lässt sich somit angenehm modellieren und sieht dennoch im fertigen Film wie Wasser aus. Spritzer am Cape wurden mittels kleiner Celophanobjekte dargestellt, die jeweils nur für einen Frame sichtbar sind. Der „Regen", in dem der Hund steht befindet sich in Wahrheit vor ihm – Glycerin das Frame für Frame eine Glasscheibe heruntergepustet wird.
Am Ende des Kurzfilms verfolgen Gromit & Wallace den diebischen Pinguin im Wohnzimmer mit einer elektrischen Eisenbahn. Um den rasanten Charakter einer Verfolgungsjagd zu erzielen, die Akteure aber nicht gleichzeitig unscharf werden zu lassen, wurde die Bahn mit Herr, Hund und Pinguin auf einen Dolly gepackt, auf dem sich auch die Kamera befand. Anschliessend wurde der Dolly während einer zweisekündigen Belichtungszeit bewegt.
Flüssigkeiten wie Kaffee, Tee oder Wasser, die sich wie hier eine Figur einschüttet besteht fast immer aus einge-färbter Zellophanfolie. Diese lässt sich hervorragend zerknüllen und verhält sich, wenn sie beleuchtet wird wie „echte" Flüssigkeit.
Viele atemberaubende Ef-
fekte, wie etwa die berühm-
te Porridge-Sequenz aus
A Close Shave werden er-
möglicht, in dem mit Seilen
oder Draht gearbeitet wird.
Dieser wird in der Post-Pro-
duction mittels Computer
Oben: Planung der Szene mittels
Rechts: Fertige Szene
„Klar liebe ich auch die Simpsons, Bekannt wurde Aardman vor allem mit den Animationsfilmen Nick Parks,
aber Wallace und Gromit sind real, ganz vorne dabei Wallace & Gromit. Park beendete mit seiner Abschlussar-
sie leben – die Simpsons hingegen beit – ersten Szenen von A Grand Day Out – 1985 sein Studium an der Natio-
sind lediglich Zeichnungen."
nal Film and Television School und stellte diese als Angestellter bei Aardman
fertig. Der Grundstein für den Kult um Herrchen und Hund war gelegt.
Nachdem bereits 1990 A Grand Day Out nominiert worden war, brachten
Nick Park schliesslich 1994 The Wrong Trousers und 1996 A Close Shave einen
Oscar in der Kategorie „Bester Animationskurzfilm" ein. Bei einer der Verlei-
hungen „vergass" Park eine Kiste mit den Figuren Wallace und Gromits im
Taxi. Ein gefundenes Fressen für die Presse: Tagelang tauchten Vermissten-
anzeigen auf, erschienen Artikel, die über das Verschwinden und schliesslich
das Wiederauffinden der Kiste berichteten – Die Popularität von Aardman
und deren Charakteren wuchs und wuchs. In Wien, wo The Wrong Trousers
in einem einzigen Kino lief, verfolgten stolze 25.000 Besucher das Gesche-
hen. Kurz vorher schaltete Aardman eine Zeitungsanzeige mit Wallace „Jetzt
bin ich bekannter als Sir Anthony Hopkins". Hopkins war bei der Oscarverlei-
hung nämlich leer ausgegangen.2, 3
Nach dem grandiosen Erfolg von The Wrong Trousers, beauftragte BBC2 das
Studio mit der Produktion eines weiteren Wallace & Gromit-Abenteuers
und stellte eine stattliche Summe zur Finanzierung bereit – einzige Bedin-
gung: Es sollte bis Weihnachten 1995 fertig sein.
Am 2. Feiertag strahlte BBC2 dann A Close Shave auch zum ersten Mal aus
und erzielte die höchste Einschaltquote in seiner Geschichte: 10,62 Mil-
lionen Zuschauer. So hatte sich die Investition in das teuerste Stück Un-
terhaltung, das jemals in Grossbritannien produziert wurde und an dem
über fünfzig Mitarbeiter beschäftigt (bei den ersten Abenteuern hatte Park
Bristol-Features der BBC, Interview mit Matt Groening:
2) Peter Hossli „Die Erfolge des Gekneteten", http://hossli.com/1996_portfolio/port_96_wallace.html)
3) Frank Arnold „Von Wallace & Gromit bis Chicken Run", epd-Film 08/00
zusammen mit Steve Box alleine animiert) waren, gelohnt. Noch einmal 8,5 Millionen Zuschauer wohnten nach der Oscarverleihung der Wiederholung zu Ostern des nächsten Jahres beiZur Story:
Der Erfinder Wallace und sein treuer Hund Gromit leben zusammen in der
West Wallabee Street Nr. 62. Das Heim der beiden mit Kamin, allerlei Nippes
und Blümchentapete, wirkt nur im ersten Moment wie ein typisch engli-
sches Spießeridyll, denn wie bereits erwähnt ist Wallace Erfinder. Demzufol-
ge technisch hochgerüstet ist der Haushalt des Hobbyingenieurs:
Schon morgens wird Wallace die Tageskleidung komplett automatisch
angezogen – freilich erst, nachdem er durch ein Loch an der Decke direkt an
den Frühstückstisch befördert wurde und dort nun wiederum vollautoma-
tisch sein Frühstück serviert bekommt – wobei Pannen vorprogrammiert
sind.
Der pfiffige Gromit erträgt die Marotten seines Herrchens mit Gelassen-
heit, beobachtet all dies mit Zurückhaltung. Nick Park sagt1 „Gromit ist viel
komplexer als Wallace, obwohl er weniger sagt, sagt er mehr. Wallace lebt
oberflächlich – er sieht Käse, und er will ihn essen. Gromit jedoch ist sich die
ganze Zeit seiner Vergangenheit bewußt und sorgt sich um die Zukunft. In
diesem Sinne ist er menschlicher". Und so ist es auch Gromit, der Wallace aus
oftmals prekären Situationen befreit.
In A Grand Day Out („Alles Käse), in dem die beiden (da sich im Kühlschrank
kein Käse mehr befindet) zum Mond fliegen, der ja bekanntlich aus Käse
besteht, ist es Gromit, der die Rakete steuert. In The Wrong Trousers („Die
Techno-Hose") befreit Gromit sein Herrchen aus den Klauen eines verbreche-
rischen Pinguins. Der Pinguin (Feathers Mc Graw), der sich listig in die West
Wallabee Street Nr. 62 eingeschlichen hat, in dem er sich als neuer Unter-
mieter vorstellt, lässt Wallace mittels einer ferngesteuerten Hose aus der
Weltraumforschung einen gefährlichen Diamantendiebstahl verüben.
Da wundert es nicht, dass der Hund auch im dritten Abenteuer A Close
Shave („Unter Schafen") erneut unter Einsatz seines Lebens Wallace und
dessen vermeintliche Freundin Wendolene in einer halsbrecherischen Ver-
In „Wallace & Gromit Storyboard Collection – Unter Schafen", S.12
folgungsjagd aus den Fängen des Cyber-Hundes Preston, der aus Wendole-nes entführten Schafen schlichtweg Hundefutter produzieren will, befreit. Dennoch kommt es zu keinem Happy-End für Wallace. Seine Verliebtheit zu Wendolene verfliegt, als diese ihm von ihrer Käse-Allergie erzählt.
„Die Liebesszenen zwischen Wallace und Wendolene war am Schwierigsten.
Wenn man versucht, Romantik zwischen zwei Plastilinfiguren mit grossen
Mäulern entstehen zu lassen, kann das sehr peinlich wirken. Die romantische
Szene unterstreicht aber auch die Fortschritte, die wir gemacht haben. Die
zwar atemberaubende, aber simplifizierende Ebene der Verfolgungsjagd ha-
ben wir verlassen. „A Close Shave" ist ein „erwachsener" Film geworden. Man
sieht auch keine Fingerabdrücke mehr auf dem Plastilin", sagt Steve Box1, der
zusammen mit Nick Park animiert hat.
Jede Menge Details
Niemand macht Knetanimationen auf derart hohem Niveau. Die Detailver-
liebtheit, bezüglich Ausarbeitung der Handlung, ihrer Charaktere sowie des
Bühnenbildes, mit der Park und seine Kollegen etwa bei Wallace und Gromit
vorgingen, lässt uns gleich zu Beginn des ersten Abenteuers A Grand Day
Out erahnen, wo wir sind: Wir hören den Schlag Big Bens – noch bevor die
erste Tasse Tee eingeschüttet ist. Noch bevor das erste Wort gesprochen
wird, lassen uns Wallace und Gromit wissen, dass Sie verreisen werden,
wir sehen Unmengen von Reiseprospekten über die die Kamera hinweg-
schwenkt, um schließlich das komplette Wohnzimmer zu zeigen.
Sehr viel wird von der Einrichtung nicht gezeigt, doch was wir sehen wirkt
spiessig: Blümchentapete, eine vergilbte Stehlampe, einige Bilder (eines da-
von von Herr und Hund, was uns glauben macht, dass die beiden sich nicht
erst seit gestern kennen).
Gromit schläft in einem gepunkteten Ohrensessel bis Wallace ihn, wenn-
gleich unbeabsichtigt, etwas unsanft weckt „jetzt hab ich's, Gromit alter
Freund!". Man vermutet gleich, das Reiseziel zu erfahren, doch nein „lass uns
'ne schöne heiße Tasse Tee trinken, hmm?". Ohne die Reaktion des Vierbei-
ners abzuwarten, erhebt sich Wallace und macht sich auf den Weg in die
Küche, brüht Tee auf, serviert dazu Cracker (die er aus dem Küchenschrank
holt, in dem noch ein Dutzend weiterer Packungen lagert) – das Tablett, das
er benutzt, hat viele Teeränder, denn der Zuschauer soll bemerken, dass Tee
und Cracker nicht etwa eines spontanen Heißhungers Wallaces entspringen,
sondern ein wiederkehrendes Ritual in der West Wallabee Street Nr. 62 sind.
Wallace macht in der Küche die erschreckende Entdeckung, dass der Käse
aus ist und kehrt zu Gromit zurück. Die beiden schauen sich kurz in die Au-
gen, dann gleichzeitig aus dem Fenster, hinauf zum Mond und es ist klar: Die
Reise geht genau dort hin – ist doch, wie jeder weiß, der Mond ein gigan-
tisches Käsemassiv. Die beiden machen sich schnell ans Werk: Wallace mit
Bleistift und Papier im Keller, um die Rakete, mit der die Reise angetreten
werden soll, zu konstruieren – Gromit bleibt im Wohnzimmer und studiert
noch ein wenig die Grundlagen der Elektrotechnik in „Electronic For Dogs".
Drei Minuten später steht die Rakete dann auch fertig im Keller. Da sich als
brauchbare Größen-Referenz dazu nur ein paar geknetete Mäuse und die
Protagonisten dort befinden, glauben wir sofort: Die Rakete muss einfach
fliegen, so groß ist die. Kurz danach wird der Start von Wallace eingeläutet,
der mit einem Streichholz die Zündschnur entfacht – steuern muss der
Hund. Die unglaubliche Detailverliebtheit zieht sich durch alle Abenteuer
von Wallace und Gromit: In A Close Shave etwa dreht sich der „Teich" vor der
Garage, als die beiden zum Fensterputz aufbrechen und wird zur Straße.
Das Handtuch des Gartenzwergs, der vorher einen Kopfsprung in den Teich
wagte, bleibt liegen.
Dank all dieser zufällig scheinbaren Kleinigkeiten, wissen wir nach einem
Film bereits mehr über die Darsteller als nach der Lektüre eines „Lustigen Ta-
schenbuchs" über Donald Duck. Wir erfahren die Leibgerichte von Herr und
Hund, wissen, dass Gromit gerne Bücher über Elektrotechnik liest, liebend
gerne strickt und handwerklich keineswegs ungeschickt ist und vieles mehr.
Im Internet kursieren zudem ganze Steckbriefe und Lebensläufe der beiden
Knethelden.
Witze, Zitate & versteckte Credits…
Einige Referenzen aus „Chicken Run"
Stalag 17
Magnolia
Den Großteil der Aardman Filme zeichnet eine nicht unerhebliche Portion
Humor aus. Wer aufmerksam Kulissen beobachtet, Dialoge und Handlung
verfolgt, wundert sich des öfteren und fühlt sich an andere Meilensteine
Star Trek
Indiana Jones
der Filmgeschichte erinnert. Öffnet sich etwa in A Grand Day Out die Keller-
decke, um den Abflug der Rakete zu ermöglichen, fühlt man sich automa-
tisch an das James Bond Abenteuer Moonraker erinnert.
Die Verfolgungsjagd in The Wrong Trousers lässt den cineastisch geschul-
ten Zuschauer an Indiana Jones denken, wo dieser mit einer Lore durch ein
Einige Referenzen aus „Wallace und
Bergwerk flieht – nur dass Indy nicht wie Gromit die Schienen selbst verlegt. Thunderbirds
Und wenn Wallace und Gromit in A Close Shave zum Fensterputz aufbre-
James Bond – Moonraker
chen und dabei durch ein Rutschenlabyrinth im Haus gleiten, anschließend
(freilich automatisch) Helm auf- und auf's Motorrad gesetzt werden, tun sie The Great Escape
dies wie die Charaktere in der Puppentrickserie Thunderbirds.
Aber nicht nur fremde Filme werden zitiert. Als Gromit in A Close Shave ein-
gekerkert wird, findet er dort ein Grafitto („Feathers was here") des fiesen
Pinguins Feathers McGraw, der im vorherigen Abenteuer The Wrong Trousers „Natürlich machen wir uns lustig
ins Kittchen wanderte. Außerdem liest Gromit in einem Buch aus dem Pen-
über Realfilme. Zum einen wollten
guin-Verlag „Crime and Punishment" – geschrieben von Fido Dogstoyevsky.
wir all die Elemente der klassischen
Gefangenenfilme wie „Gesprengte
Im zweiten und dritten Teil der Wallace & Gromit-Filme, erinnern im Wohn-
Ketten": Hoffnung, Flucht, Abenteuer.
zimmer Miniaturraketen an A Grand Day Out, in dem die beiden mit der
Die Action soll genauso spannend sein.
Rakete zum Mond flogen.
Wer aber die Zitate nicht mitbekommt
In A Close Shave nennt Wallace das ihm zugelaufene Schaf „Shaun" – In
und einen Familienfilm will, hat auch
der deutschen Synchronfassung lacht der Zuschauer, als Wallace das frisch
rasierte Schaf ruft „Komm, Shaun" (komm schon!). In der Originalfassung
Peter Lord über „Chicken Run"
wirkt das fast noch lustiger (heißt doch im Englischen das nahezu gleich
ausgesprochene „shorn" geschoren!). Auch der Übles im Schlide führende Cyberhund „Preston" heißt nicht etwa zufällig so: Preston ist Nick Parks Geburtsort.
Als Gromit im gleichen Film die Kirchturmuhr putzt, sieht man für einen kurzen Augenblick eine Plakatwerbung im Hintergrund „Try Bob's Buns" mit dem Konterfei dieses Bob – der Bob Baker, dem Co-Autoren des Films,
wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Eine Bäckerei im Film trägt übrigens
den Namen „Bob the baker".
In Chicken Run schnappt Ginger sich in letzter Sekunde ihre liegengebliebe-
ne Wollmütze aus dem Backofen wie sonst nur Indiana Jones seinen Hut. Im
Stall 17 schmieden die Hühner ihre Ausbruchspläne – ein kleiner Verweis auf
Billy Wilders Kriegsgefangenen-Drama Stalag 17.
Ansonsten bauen die Filme der Wallace & Gromit-Reihe und auch Chicken
Run auf jede Menge britischen Humor: „Ich habe oft Animationsfilme ge-
sehen, die sich bemüht haben, international zu sein, ohne Dialoge und ohne
spezifische Verweise auf eine bestimmte Kultur. Ich bin nicht sicher, ob das
funktionieren kann. Ich denke, mit unserer Arbeit haben wir die Möglichkeit,
ein Stück Alltagsbeobachtung auf Zelluloid zu bannen und das in gewisser
Weise mit anderen Menschen in anderen Kulturen zu teilen. Das ist ein biss-
chen wie Volksmusik"1, sagt Nick Park. Ein Großteil der Lacher funktioniert
aber trotzdem international: Sei es, dass Gromit beim Raketenstart ver-
gisst, die Handbremse (wohlgemerkt: einer Mondrakete) zu lösen, Wallace'
Haferbreimaschine ihn mit massenweise Porridge beschießt oder Feathers'
Verkleidung als Huhn.
Szenen aus Wallace und Gromit & deren Entsprechnung in „James Bond – Moonraker"
und der Puppentrickserie „Thunderbirds"
sowie die verssteckte Danksagung an den Co-Autor Bob Baker
links oben:
Hommage an Alfred Hitchcock und Indiana Jones
„Von Wallace & Gromit bis Chicken Run" • Artikel von Frank Arnold auf http://www.epd.de/film/2000/8aard.htm
„Man genießt vor allem den Witz;
Ein computergeneriertes 3D-Monster wie Shrek mit einem Knethelden wie
den technischen Fortschritt nimmt
Gromit zu vergleichen, mag im ersten Moment vielleicht verwundern und
man nebenbei zur Kenntnis, und
so wirken, als ob Kartoffeln mit Birnen verglichen würden.
wenn, dann gerade dessen Gren-
Dennoch ist es wichtig zu zeigen, wie die Knetabenteuer eine Sonderstel-
zen. Flüssigkeiten und Feuer kann
lung innerhalb des üblichen Angebotes an Animationsfilmen einnehmen.
der Computer noch immer nicht
Shrek ist ein im Sumpf lebendes Ungeheuer. Er ist groß, stark und vor Allem
apart abbilden. Die Titelfigur lebt
eines: dreckig! Und da fängt es an, dass der liebevoll modellierte Klops
laut Drehbuch in einem feuchten,
Schwäche zeigt: Dreck mit dem Computer zu erschaffen ist ungleich schwe-
schmutzigen und zugewucherten
rer als glattpolierte und saubere Oberflächen. Der ganze Film wirkt immer
Sumpf. Der Rechner aber kann nur
wieder wie ein Lehrstück für den effektbegeisterten Zuschauer: „Schau an,
saubere Bilder auswerfen. Schmutz hier weht Wind durch's Haar – guck da, dort sitzen Muskeln unter Shreks
Gesicht, die für eine umwerfend menschliche Mimik sorgen". Um zu be-
geistern, reicht das alleine jedoch nicht aus. So wirken die Anspielungen auf
Die Zeit über Shrek
bekannte Märchen vergleichsweise flach im Vergleich zu der subtilen Art
des Zitierens bei Wallace und Gromit. Shrek wirkt trotz seines rüpelhaften
Benimms eher aalglatt denn monströs und eklig. Regisseur Andrew Adam-
son sagte zu seiner Crew „ich will, dass dieser Film zehnmal komplexer wird
als Antz"1, Nick Park führt immer wieder in Interviews an „Das wichtigste ist
eine gute Geschichte"2.
Shrek ist sicher kein schlechter Film und ganz bestimmt ein Meilenstein in
der Geschichte computeranimierter Kinoabenteuer. Aber Shrek ist kein Kum-
pel. Gromit hingegen wirkt realer durch Eingliederung in ein reales Set mit
realen Kulissen. Und wenn Gromits Herrchen Haferbrei ins Gesicht spritzt,
dann ist das eine wirklich matschige Angelegenheit und nicht den mathe-
matischen Berechnungen einer Renderfarm zu verdanken. Hinzu kommt,
dass Shrek um einiges brutaler ist, so wird z.B. wird der Lebkuchenmann
vom fiesen Lord Falqward übel malträtiert und sogar gefoltert – wohlge-
merkt befinden wir uns im Genre des Kinderfilms!
Dennoch lieben die Fans Shrek und stürmen die Kinokassen. Das liegt aber
daran, dass Shrek sein eigenes Medium (und seine Ursprünge) zu schänden
versucht: Das Märchen. So ist der Film ein Märchen ohne Märchen sein zu
wollen und bringt ein großes Mass Humor mit. Wallace & Gromit gehen be-
hutsamer vor: Da wird nichts geschändet. Aardman verehrt eher. Man zitiert
Hitchcock, eine Menge Filme Steven Spielbergs, die Puppentrickserie Thun-
derbirds, James Bond und zahlreiche andere, macht sich jedoch niemals
lustig über die, denen man die Existenz von Szenen, auf die man anspielen
kann, verdankt.
Bemerkenswert erscheinen mir zudem die Parallelen zwischen Shrek und
Chicken Run. Beide spielen mit Fragmenten des Naziregimes, mit Deportati-
on und Chancenlosigkeit. Shrek löst das Problem vor Allem mit Krafteinsatz
und lässt seine Muskeln spielen – und auch hier geht Aardman behutsamer
vor: Die Flucht der Hühner spricht nicht für deren Körperkraft, sondern für
Mut und Intelligenz!
In „Making of Shrek" - Teil der DVD „Shrek der tollkühne Held"
2) z.B. in epd Film 08/2000 „Aardman Productions & Chicken Run"
Chicken Run
Den derzeitigen Höhepunkt des Aardman-Werkes bildet ohne Zweifel
Chicken Run, der erste abendfüllende Kino-Knetfilm des Studios. In dreijäh-
riger Arbeit mit 250 Mitarbeitern und 3500 Kg Knete und einem Budget das
Aardman unmöglich alleine hätte tragen konnte.1
Verhandlungen mit Disney zerschlugen sich jedoch sehr schnell, da dort an
der Idee von integrierten Liedern festgehalten werden musste. „Damit kann
ich nichts anfangen", sagt Peter Lord (in epd Film 8/2000). So stieß man auf
Steven Spielbergs Dreamworks. Als die Direktoren bei Spielberg zum Essen
(tatsächlich gab es Hühnchen) eingeladen wurden, erinnert sich Peter Lord
in einem Interview „Wir kamen ihm schnell mit unserer Idee The Great Esca-
pe mit Hühnern zu machen und Spielberg sagte sofort: Fantastisch! Es stellte
sich heraus, dass The Great Escape Stevens absoluter Lieblingsfilm ist und er
selbst über 300 Hühner auf seiner Farm hat". Als das Team nach einem er-
folgreich abgeschlossenem 4-Filme Deal über 150 Millionen britische Pfund
(ca. 240 Millionen Euro) zurück nach England kam und sich „The great Esca-
pe" anschaute, „stellten wir fest, dass darin keine einzige Frau mitspielt – Wir
wollten aber fast ausschliesslich mit Hennen drehen! Ich glaube dennoch,
dass wir den Charakter von The Great Escape erhalten haben". Nach über
dreijähriger Produktionszeit und Produktionskosten von 25 Millionen Pfund,
erblickte Chicken Run im Jahre 2000 das Licht der Welt.2
Die böse Mrs. Tweedy und ihr dümmlicher Ehemann sind die Besitzer einer gnadenlosen Hühnerfarm. Schon in der Vergangenheit haben die Hühner häufig ideenreiche Fluchtversuche unternommen. Ein von den Hühnern ge-bautes Katapult, das die „Gefangenen" über den Stacheldrahtzaun der Farm befördern sollte, erwies sich als zu gefährlich. Die menschliche Verkleidung mehrerer gestapelter Hennen flog auf – auch Tunnelgrabungen verliefen
sinnlos, da die Flüchtenden sich als zu dick erwiesen.
Ginger, das klügste Hühnchen am Hof, versucht aber immer wieder ihre et-was weniger cleveren Mitgefangenen zu überzeugen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und der Schreckensherrschaft der Tweedys zu entkom-men, um endlich ein selbstbestimmtes Leben im Grünen führen zu können. Eines Tages landet der „fliegende" Zirkushahn Rocky auf dem Hof. Dank sei-ner charismatischen Ausstrahlung, mächtig coolen Sprüchen und Reden von Freiheit, vertrauen ihm die Hühner sofort und glauben an eine erfolgreiche Flucht mit Rockys Hilfe. Die Hoffnungen schwinden allerdings schnell, als die durch und durch geizi-gen Tweedys plötzlich die Futterration der Tiere verdoppeln und eine vollau-tomatische Hühnerpastetenmaschine auf der Farm eintrifft. In einem ersten Testlauf der Produktionsanlage, bei dem Ginger zur Pastete verarbeitet werden soll, kommt ihr Rocky zur Hilfe. Geimeinsam entgehen die beiden in einem aktionsreichen Manöver ihrem Dasein als Pasteten. Obendrein wird dabei die Maschine für's erste lahmgelegt.
„ich dachte irgendwann: warum
sollten irgendjemand da draußen
Anschließend gesteht aber Rocky Ginger, dass er zwar Zirkushahn war, seine
diese Hühner interessieren. Klar in-
Flugkünste sich aber auf einer Kanone begründeten, mit der man ihn ab-
teressieren sie uns, weil wir diesen
schoss. Jegliche Hoffnung Gingers schwindet dahin.
verdammten Film drehen – aber
wen sonst und vor allem warum"
Rocky überzeugt Ginger jedoch, dass eine Flucht noch immer möglich sei, sie Peter Lord2
würden nur eine zündende Idee benötigen. So bauen die Hühner dann auch
gleich ein Flugzeug und entkommen in einer turbulenten Flucht mitsamt
Verfolgungsjagd schlussendlich doch noch ihrem traurigen Schicksal, den
Fängen Mrs. Tweedys und der Pastetenmaschine. Am Ende explodiert die
schreckliche Maschine und der Hof der Tweedys. Rocky, Ginger und die ande-
ren Hennen hingegen führen ein fröhliches Leben in Freiheit.
Chicken Run wurde zum erfolgreichsten britischen Film aller Zeiten in Ame-
rika und spielte in den ersten drei Wochen alleine dort 54 Millionen Dollar
(ca. 60 Millionen Euro) ein. Die erste Woche in England zusätzlich brachte
weitere 5,8 Millionen Pfund ein. Auch in Deutschland sahen mehr als 1,5
Millionen Zuschauer Hennen Rennen.
epd–Film 8/2000, Frank Arnold „Von Wallace & Gromit bis Chicken Run"
2) Interview mit Peter Lord, „Hey Mr. Plasticine Man"
„.wir sind stark in die Konzeption
und das Design der Merchandi-
sing-Artikel involviert. Wir waren
da anfangs eher zurückhaltend.
Wir wollten das Publikum nicht
ausbeuten und wollten unsere
Charaktere nicht ausschlachten.
Alleine Nick Parks Kurzfilmstars Wallace und Gromit haben eine weltweite
Jetzt machen unsere Modellbau-
Flut von Merchandising-Artikeln ausgelöst. Aardman vergibt Verwertungs-
er nahezu alle Prototypen selbst
rechte an internationale Lizenznehmer.
– einfach weil es wirklich schwer
„Natürlich konzipieren wir niemals Figuren auf deren spätere Verwertbar-
ist, das gut zu machen."
keit hin", sagt Liz Keynes, Abteilungsleiterin der Lizenzrechtsabteilung bei
Peter Lord
im Interview unter www.awn.com/mag/issue2.2/articles/
Aardman, „aber die Realität sieht nun mal so aus, dass unsere Art Filme zu
machen sehr teuer ist – somit ist die Vermarktung der Rechte sehr wichtig".1
Das alleine bringt dem Studio im Falle von Wallace und Gromit jährlich etwa
280 Millionen Dollar ein.2 Wichtig ist Aardman dabei, Produkte zu schaffen,
die Spaß machen, die Werte und Eigenheiten der Charaktere transportieren.
Zudem müssen Lizenznehmer sich den jeweiligen Styleguides (in denen
zum Beispiel die Verwendung bestimmter Farben, Materialien und Ausmaße
vorgegeben ist) unterwerfen.
1998 existierten alleine in Grossbritannien ca. 70 Lizenznehmer, darunter
Wensleydale Käse (den Wallace am liebsten mag) und Kellogg's-Cornflakes,
Screenshot aus dem 3D-Videospiel
die jedes Frühstück zum großen Zereomiell wie bei Wallace und Gromit
„Wallace & Gromit in Projekt Zoo", dass
werden lassen sollen. Hinzu kommen sprechende Wecker (mit der Original-
durchweg schlechte Kritiken bekam, da
weder Grafik, Figuren noch die Handlung
Synchronstimme von Peter Sallis), Tees, unzählige Bücher (etwa über Weih-
überzeugen konnte. Im Gegensatz dazu:
nachtliches Backen mit Wallace und Gromit, die Erlangung inneren Friedens The Neverhood (unten), ein Spiel, dass '96
von Dreamworks herausgebracht wurde,
mit Shaun dem Schaf), ja sogar elektrische Zahnbürsten & Computerspiele
echte Knetfiguren auch im Spiel ver-
(Wallace und Gromit in Project Zoo). Vorwiegend zielen die Produkte übri-
wendet und sich großer Anhängerschaft
gens auf Erwachsene.
Nur ein winziger Bruchteil der erhältlichen
Merchandising-Artikel von „Wallace & Gromit":
Uhren, Radiowecker, Eierwärmer, Bücher,
Den Erfolg Aardmans zu ergründen, ist nicht einfach – und doch wollte ich es mit dieser Arbeit versuchen.
Man liebt die Figuren, die derart liebevoll animiert sind und eine unendliche Ausdruckskraft in ihrer Mimik und Gestik aufweisen. Wallace ist ein lieber und etwas naiver Erfinder, Gromit ein liebes Genie, das zwar nicht sprechen kann, aber wesentlich mehr „sagt" als sein Herrchen. Beide sind auf eine Art verschroben, die sie uns menschlich erscheinen lässt: Da gibt es jede Menge Missgeschicke, Eifersüchteleien, Stirnrunzeln und Augenzwinkern. Dass die Knethelden zudem immer in sehr realistischen Kulissen und oftmals wie James Bond, Indiana Jones u.a. agieren, verstärkt den Eindruck, dass wir es nicht etwa mit „Knetmännchen" zu tun haben, sondern mit Menschen.
Einfach zu sagen, „Aardman versteht sein Handwerk und ist daher so
erfolgreich", erscheint mir dennoch zu simpel. Vor gut 25 Jahren waren da
drei (rechnet man Park hinzu) Jungs, die die Möglichkeit hatten, mit Film zu
experimentieren und ihre Chance ergriffen, wenngleich zuerst nur als Hob-
by. Lord und Sproxton kneteten, was das Zeug hielt und waren mit Spaß und
Enthusiasmus bei der Sache. Dass einzelne Werke den Sprung auf die Matt-
scheiben der BBC-Zuschauer schafften, verdankten sie aber neben Talent
und harter Arbeit vor allem guter Beziehungen: Sproxtons Vater arbeitete
schliesslich dort – und so bekamen die Jungfilmer sehr schnell einen Fuß
in die Tür und konnten sich über Jahre zu einer festen Größe im britischen
Fernsehen etablieren und ihr Tun professionalisieren.
Als Nick Park schliesslich 1985 zu den Filmemachern stieß, am Video zu
Sledgehammer mitwirkte, Creature Comforts animierte und drei Jahre später
Wallace & Gromit – A Grand Day Out fertigstellte, stieg die Popularität Aard-
mans deutlich an: Sledgehammer wurde zum meistgespielten Video in der
Geschichte des Musiksenders MTV und vom amerikanischen Rolling Stone
zum „besten Musikvideo aller Zeiten" gekürt. Creature Comforts erhielt
einen Oscar und A Grand Day Out immerhin eine Nominierung.
Vom Erfolg sichtlich angetan, zeigte auch die Werbeindustrie recht bald
Interesse an dem Studio. Auch heute noch bilden Werbespots die Grundlage
um zu experimentieren, die eigene Bekanntheit zu steigern, aber letztlich
auch, um dreihundert Beschäftigte zu entlohnen.
Die zwei weiteren Wallace & Gromit-Filme, die schliesslich beide Oscars
erhielten und wie schon A Grand Day Out von Presse und Publikum geliebt
wurden, machten die Figuren derart populär, dass Aardman neben Werbung
auch erstaunliche Summen durch Merchandising einnimmt.
Die geplatzten Verhandlungen mit Disney zeigen, dass man trotz Allem
nicht nur auf Geld aus ist. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Dream-
works (zu der angeblich Steven Spielberg die Initiative ergriff) wird dennoch
die im Knetfilm-Business marktbeherrschende Stellung zukünftig erhalten.
Die Presse liebt Wal ace und Gromit:
Comics aus der Western Daily Press und
dem Daily Telegraph
So ist die Erfolgsgeschichte Aardmans sicher auch dem Geschäftssinn der
Betreiber zu verdanken, dennoch sagt Lord: „Aardman freut sich, Geld zu
verdienen, aber das motiviert uns nicht wirklich. Auf jeden Fall ist es nicht der
Grund, warum wir Filme machen. Wir haben eine Menge gelernt seit damals
am Küchentisch – aber der Impuls für unser Tun ist nach wie vor derselbe".
Man mag ihm glauben. Das Studio schafft eine sympatische Gratwande-
rung zwischen Global Player auf der einen und dem Image von älteren
Teenagern auf der anderen Seite. Auch die Website des Unternehmens
transportiert in ihrer Machart durchaus den Charme der frühen Aardman-
Werke – da ist selten etwas glattploiert, viel grobe Skizzen und Cartoons
kommen zum Einsatz und in Nick Parks Steckbrief steht, seine größte Sorge
seien „Filzläuse".
„Es gibt niemand, der etwas Vergleichbares macht – Ihre Figuren haben einen
besonderen Look, Sie haben Gefühle, einen Sinn für Humor und einen großen
Facettenreichtum – das alles ist typisch für Aardman", sagt Jake Eberts (aus-
führender Produzent bei Chicken Run).
Ob das allerdings auch in Aardmans erstem computeranimierten Spielfilm
The Tortoise and the hare (dessen Produktion bereits angelaufen ist) gelin-
gen wird, bleibt abzuwarten. Die Konkurrenz dort wird zweifelsohne härter.
Vorher wird jedoch erst ein Mal Wallace & Gromit – Curse of the Were-Rab-
bit die Leinwand erobern und versuchen, das Publikum mit Charme, Witz
und allerhand Absurditäten zu verzaubern.
Ich bin sicher: Den Helden wird das gelingen!
Ankündigung für „Wallace &
Gromit – Curse Of The Were-
rabbit" aus dem aktuellen
• „Aardman Collection", Carlton Video, Momentum Pictures, 2000
• „Die unglaublichen Abenteuer von Wallace & Gromit",
DreamWorks Home Entertainment, 2001
• „Chicken Run – Hennen Rennen", BMG Video, 2001
• „Shrek – Der tollkühne Held + 3D", DreamWorks Home Entertainment, 2004
• „Wallace & Gromit – Unter Schafen – Storyboard Collection"
Brian Sibley, Ehapa Comic Collection, Stuttgart, 1997
• „Cracking Animation", Peter Lord & Brian Brian Sibley, New York, 2000
• „Insideaard" (Teil der „Aardman Collection"-DVD)
Aardman, Screen Press Books, Southworld, Suffolk, 2001
• „Lexikon der Special Effects", Rolf Giesen, Imprint, Berlin, 2001
• epd-Film 10/1994, Filmkritik „Aardman Collection", S.42
Zeitschrift des Evangelischen Pressedienstes, Frankfurt am Main, 1994
• epd-Film 03/1996, Filmkritik „Wallace & Gromit – Unter Schafen", S.39
Zeitschrift des Evangelischen Pressedienstes, Frankfurt am Main, 1996
• epd-Film 08/2000, „Von Wallace & Gromit bis Chicken Run", S. 20 - 27
Zeitschrift des Evangelischen Pressedienstes, Frankfurt am Main, 2000
Interviews:
• „An Interview with Nick Park & Peter Lord", The Onion Club
• „Menschen im Hühnerkostüm
Ein Interview mit Nick Park und Peter Lord"
• „An Interview with Aardman's Peter Lord"
• „Wallace & Gromit's Cracking Contraptions: Nick Park"
• „Regen können wir nicht kneten"
0810/berlinberlin/0022/
• Die Tintenfische aus dem zweiten Stock
• The execution of Mary Queen of Scots
• Trip To the moon
• The Sculptor's Nightmare
• The lost world
• Will Vinton
• Ray Harryhausen
http://www.harryhausen.de/
http://infos.aus-germanien.de/Ray_Harryhausen
• Wallace & Gromit
http://www.toster.ru/174/
• „Ohrenschmalz zu Tischkerzen" Artikel von Merten Worthmann im Online-Angebot der Zeit
Fotografien und Abbildungen:
Sämtliche verwendeten Bilder & Screenshots entstammen obigen Quellen.
Bildrechte liegen bei den jeweiligen Urhebern.
Danke an…
Bettina Thielhans vom evangeischem Pressedienst
in Frankfurt am Main für's Zusenden der Magazine Carlo Siegfried von Carlo-Clips.de für die Fotos per Mail
Melanie Titze für einige Aardman-Kurzfilme
Joachim Weber für's Korrekturlesen
Tim Osmond für die „Aardman Collection"
Stefan Terlinden für die Betreuung des Themas
Melanie Neumärker für offene Ohren & Nerven aus Stahl
Source: http://kisd.de/~stephan/alt/knete.pdf
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By Xiaoni Zhang and Victor R. Prybutok MARKETS DIFFER IN CHINA, THE U.S., AND EUROPE Market differences include communications standards, price structures, government regulations, customer demographics, usage patterns, business potential, and technology adoption strategies. Despite the 2001 downturn in the global telecommunica-tions market, the mobile penetration rate in China is increas-ing due to the elimination or reduction of mobileconnection fees. The mobile market worldwide is dynamicin terms of technology development, and competition isaggressive. The potential size and growth rate of the Chinese,U.S., and European mobile markets warrant examination ofthe state of their wireless development. Here, we explore thatgrowth by examining the differences among the threeregions, especially those in mobile consumer demographics,Short Message Service (SMS) usage, and 3G technology.