Microsoft word - fokale dystonie.doc

Fokale Dystonie bei einer 21jährigen Querflötistin –
Diagnostik, Therapie & Verlauf
E.J. Seidel, A. Fischer, E. Loosch, E. Altenmüller, E.Lange 1. Einleitung Unter fokalen Dystonien (wörtlich übersetzt: „auf bestimmte Muskelgruppen beschränkte Fehlanspannung") versteht man unwillkürliche, meist schmerzfreie muskuläre Verkrampfungen und Dyskoordinationen in umschriebenen Muskelgruppen. Der sogenannte „Musikerkrampf" tritt bei komplexen, langgeübten Bewegungsfolgen am Musikinstrument auf. Die Symptomatik der seltenen Erkrankung beginnt meist schleichend. Die Betroffenen schildern in charakteristischer Weise einen zunächst als spieltechnisch interpretierten, dann aber bald als katastrophal und körperfremd empfundenen motorischen Kontrollverlust. In aller Regel bestehen keine Schmerzen und keine sensiblen Mißempfindungen. Ein entscheidendes Merkmal ist, daß die Bewegungsstörung ausschließlich im Zusammenhang mit komplexen Bewegungen am Instrument ausgelöst wird und daß andere feinmotorische Fähigkeiten nicht betroffen sind. Allen Patienten gemein ist, daß willentliche Gegensteuerung die Symptomatik der unwillkürlichen Verkrampfung eher verstärkt. Ablenkung der Aufmerksamkeit bessert dagegen die Störung (Altenmüller, 1996, [1]). 2. Fokale Dystonie bei einer 21jährigen Querflötistin Im Bereich der Musikerausbildung und der Ausübung dieses Berufes kommt es zu enormen Beanspruchungen sowohl in statischer als auch dynamischer Art. Diese liegen oft nicht wesentlich unter denen von vergleichbaren Sportlern in einem Sportgymnasium bzw. in einem Leistungssportzentrum. Vier bis sechs Stunden Übungszeit täglich an einem Musikinstrument ohne wesentliche Festlegung regenerativer Maßnahmen sind üblich. Ausbildungszeiten von bis zu 15 Jahren sind die Regel. Durch Patienten von der Hochschule für Musik „Franz Liszt" Weimar sowie der Musikschule in Weimar wurden wir in der Vergangenheit häufig mit Fehlbelastungsfolgen durch die Ausübung des Musikerberufs konfrontiert. Daraus hat sich die Notwendigkeit der Betreuung von Berufsmusikern und Musikstudenten im Rahmen einer eigenen Musiker- Sprechstunde im Zentrum für Physikalische und Rehabilitative Medizin des Sophien- und Hufelandklinikums Weimar ergeben. Eine 21jährige Frau stellte sich erstmals im März 2000 in unserer Sprechstunde vor. Die Querflötistin, die seit ihrem 10. Lebensjahr dieses Instrument spielt, studierte damals im 3. Semester an der Musikhochschule Weimar. Sie berichtete, daß erstmals im März 1999 eine gewisse Erschwernis beim Flötenspiel mit ungenauem Greifen der Griffverbindung D-F rechts aufgetreten sei. Sie habe dieses anfangs fluktuierende Symptom durch verstärktes Üben in den Semesterferien im Sommer 1999 zu überspielen versucht. Dabei sei es jedoch zu zunehmenden Einkrampfungen des III. und IV. Fingers rechts gekommen. Seit Herbst 1999 bestünde eine wechselnd ausgeprägte Spannung im Bereich des Mittelfingers der rechten Hand mit Schwierigkeit, diese komplexen Gabelgriffe durchzuführen. Zu berücksichtigen war die aktuelle psychische Belastungssituation der jungen Frau, die kurz vor dem Vordiplom stand. Ihr damaliger Hochschullehrer vertrat die Meinung, daß sich die Patientin beruflich umorientieren sollte, weshalb sie zusätzlich den Studiengang Musikpädagogik hinzugenommen habe. Des weiteren bezeichnete sie ihre familiäre Situation als derzeit unbefriedigend, da die Versorgung der an Schizophrenie erkrankten Mutter nicht gewährleistet sei. Bei der Untersuchung an der Flöte zeigte sich eine leicht ausgeprägte tätigkeitsspezifische Dystonie mit fluktuierender Unsicherheit bei Griffverbindungen, die Mittel- und Ringfinger der rechten Hand gleichzeitig beanspruchen. Hinweise für eine Spontantonisierung des Mittelfingers nach mentaler Belastung fanden sich nicht. Eine Verbesserung der Störung durch Irritation der sensorischen Afferenz war ebenfalls nicht zu erkennen. In Zusammenarbeit mit Herrn Prof. Altenmüller von der Spezialambulanz für Musiker- Erkrankungen der HMT Hannover wurde die Diagnose komplexe, tätigkeitsspezifische fokale Dystonie der rechten Hand mit Schwierigkeiten bei der Ausführung komplexer Gabelgriffe gestellt und die Behandlung eingeleitet. 3. Behandlung, Verlauf und Therapieergebnis Neben der Aufklärung über die Natur der Erkrankung und ihre Ursachen wurde die Studentin zunächst ermutigt, mit ergonomischen Maßnahmen an der Flöte z. B. durch Erhöhung der Klappe zu experimentieren. Unter Leitung des Lehrstuhlinhabers für Psychomotrik der Universität Erfurt, Herrn Prof. Loosch, wurde zusammen mit der Patientin ein Wahrnehmungs- und Sensibilisierungsprogramm erarbeitet. So gelang es im Laufe ca. 1jähriger Arbeit, die Fingerblockaden vollständig zu beseitigen. Die problemrelevanten Ebenen, die dabei tangiert wurden, umfaßten folgende Angstreduktion und Angstkontrolltechniken bezüglich der Blockaden b. Sensibilitätsaufbau und Sensibilitätsverbesserungen der Kinästhesie und Propriozeption der Hand und des Unterarmbereiches Feinkoordinatives Training (bes. Kraftdifferenzierung), welches Muskelgruppen der Extensoren/Flexoren sowie die kleinen Fingermuskeln umfaßte Entspannungstechniken zum Abbau überhöhter Spannungszustände in der gesamten spielbeteiligten kinematischen Kette Spezielle Techniken zum Neulernen der ausgefallenen bzw. Problemwechsel (D-F, E-F, D-Fis) f. Teilweise Atemübungen zur Lösung von Spannunszuständen der Im November 2001 konnten die besagten Wechsel wieder frei gespielt werden. Die Fingergeschwindigkeit war ausreichend hoch, zeitliche Verzögerungen traten nicht mehr auf. Seit 2001 waren zudem keine Vollblockaden mehr sichtbar geworden. Stücke, in denen solche Wechsel vorkommen, sind damit generell wieder spielbar. Ihr neuer Hochschullehrer konnte dies bestätigen. Im Oktober 2001 legte die Patientin das Vordiplom Querflöte in Weimar mit Erfolg ab. 4. Diskussion Seidel et al. [7] verdeutlichten die Bedeutung einer zielgerichteten Anamnese und einer frühzeitig einsetzenden Behandlung der Beschwerden am Stütz- und Bewegungsapparat. In der retrospektiven Studie an 71 Musikern konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen kurzer Anamnesedauer und raschem Behandlungserfolg festgestellt werden. Von den ersten Symptomen der Patientin im März 1999 bis zum ersten Besuch unserer Sprechstunde verging genau 1 Jahr. Der Zeitraum bis zur Diagnosestellung und dem damit verbundenem Behandlungsbeginn ist damit als recht lang anzusehen. Gleichwohl konnte ein sehr gutes Therapieergebnis erreicht werden. Die Diagnose einer fokalen Dystonie ließ sich bei unserer Patientin aufgrund der typischen Symptomatik mit Vorliegen einer schmerzfreien, ausschließlich beim Instrumentalspiel auftretenden Dyskoordination ohne andere Begleitsymptome relativ einfach stellen. Ätiologie und Pathophysiologie der fokalen Dystonie sind weitgehend unbekannt. Eine der vielfältigen Ursachen ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine durch intensives Üben hervorgerufene neuronale Fehlverschaltung (sogenannte Fehlplastizität) in sensorischen und/oder motorischen Hirnrindengebieten (Altenmüller, [2], Candia & Elbert, [3]). Marquardt & Mai [6] führten kinematische Analysen von Bewegungen mittels eines computergestützten Ultraschallsystems beim Musikerkrampf durch. Die Ergebnisse stützen die Hypothese, daß sich der Musikerkrampf aufgrund einer übersteigerten Bewegungskontrolle bei der Ausführung automatisierter Bewegungen entwickelt. Die Kontrollstrategie würde demnach zu einer Verlangsamung der Bewegung und zu einer Stabilisierung der Gelenke durch Kokontraktionen führen, was die Ausführung automatisierter Bewegungen weiter behindert. Auch bei unserer Patientin hat sich durch vermehrtes Üben in den Semesterferien mit der falschen Strategie die Situation weiter verschlechtert und damit der „Teufelskreis Einigkeit besteht heutzutage darüber, daß eine Reduzierung auf die psychische Komponente als alleinige Entstehungsursache des Musikerkrampfs wie es bis in die 70er Jahre getan wurde, als unzureichend anzusehen ist. In einer Untersuchung von Jabusch et al. [5] wurde die psychologische Konstellation von 20 Musikern mit fokaler Dystonie mit der von 20 gesunden Musikern verglichen. Es zeigten sich signifikante Unterschiede in der Art, daß bei dystonen Musikern häufiger Angststörungen und vielfach eine ausgeprägtere Emotionalität zu beobachten war. Außerdem fiel bei diesen Musikern eine signifikante Häufung perfektionistischer Züge und internaler Kontrollüberzeugungen auf. Im psychischen Befund unserer Patientin ließen sich ähnliche psychologische Faktoren (hoher Ich-Anspruch, negatives Selbstkonzept, soziale Ängste) nachweisen, was einen Einfluß auf die Entwicklung und den Verlauf dystoner Störungen vermuten läßt. Wichtig erscheint auch die Familienanamnese, da sog. „Dystoniker-Familien" existieren und zumindest für eine Untergruppe der Patienten ein autosomal dominanter Erbgang vermutet wird (Altenmüller, [2]). Dystonien oder andere Bewegungsstörungen waren in der Familie der jungen Studentin nicht bekannt. In verschiedenen Arbeiten wird über einen möglichen Zusammenhang zwischen einem vorausgegangenen Trauma und dem Auftreten einer fokalen Dystonie spekuliert (z.B. Frucht et al., [4]). Dabei scheint weniger die Art des Traumas als vielmehr die Lokalisation der Verletzung für die spätere Entwicklung eines Musikerkrampfes verantwortlich zu sein. Interessanter Weise hatte sich die Studentin als 19jährige eine Fraktur des Mittelfingers rechts zugezogen, die ihrer Aussage nach folgenlos ausgeheilt sei. In der Behandlung der fokalen Dystonie gibt es mehrere Behandlungsansätze, die kausaler und symptomatischer Art sind. Ein häufig gewählter Ansatz ist die medikamentöse Therapie mit anticholinerg wirkenden Substanzen wie Trihexyphenidyl, wodurch bei fast allen Musikern eine Verbesserung der Bewegungsstörung erreicht werden kann. Allerdings wird das Präparat unterschiedlich gut vertragen und kann häufig nicht so hoch dosiert werden, daß die Konzertfähigkeit wieder hergestellt ist [1]. Bei unserer Patientin fehlte die Bereitschaft über einen längeren Zeitraum hinweg, das genannte Medikament einzunehmen. Ein zweites therapeutisches Prinzip ist der Erwerb eines neuen Bewegungsprogramms, welches im Vordergrund der Arbeit mit der Studentin stand. Wir erarbeiteten spezielle Techniken zum Neulernen der ausgefallenen bzw. der Problemwechsel (D-F, E-F, D-Fis). Eine bedeutende Rolle kam auch dem Wahrnehmungs- und Sensibilisierungsprogramm zu. Neben der Verbesserung der Kinästhesie und Propriozeption sollten v. a. Feinmotorik und Feinkoordination trainiert werden. Auf eine Schienung der betroffenen Finger, um die unwillkürliche Flexion „gewaltsam" zu unterdrücken, wurde ebenso verzichtet wie auf eine lokale Injektion von Botulinum-Toxin A zur reversiblen Schwächung der hyperaktiven Wichtig war gerade angesichts des psychologischen Hintergrunds der Patientin mit hohem Ich-Anspruch, negativem Selbstkonzept und sozialen Ängsten auch das Erlernen und Üben von Entspannungstechniken mit Atemübungen sowie die Angstreduktion mit Angstkontrolltechniken bezüglich der Blockaden. Von Bedeutung ist, daß zu Beginn der Therapie keine unrealistischen Erwartungen geweckt werden. Eine Behandlung ist häufig um so aussichtsreicher, je weniger der Patient auf eine schnelle und vollständige Heilung fixiert ist [1]. In unserem Patientenbeispiel umfaßte die intensive Therapie den Zeitraum von nahezu 1 Jahr. Die Behandlung führte dann jedoch zu dem gewünschten Ergebnis – dem erfolgreichen Ablegen des Vordiploms Querflöte. Literaturverzeichnis: Fokale Dystonien bei Musikern: Eine Herausforderung für die Musiker-Medizin. Musikphys. und Musikermed. 2 (1996), 29-40 Focal dystonias in musicians – neurological aspects. Musikphys. und Musikermed. Abstracts of 8. European Congress on Performing Arts Medicine and Physiology of Music Making. 3 (2000), 112-113 V. Candia & Th. Elbert: Constraint-induced movement therapy for focal hand dystonia in musicians. Musikphys. und Musikermed. Abstracts of 8. European Congress on Performing Arts Medicine and Physiology of Music Making. 3 (2000), 116 S. Frucht, S. Fahn, B. Ford: Focal task-specific dystonia induced by peripheral trauma. Musikphys. und Musikermed. 4 (2001), 164-165 H.-C. Jabusch, S. Müller, E. Altenmüller: Psychological predispositions in musicians suffering from movement disorders. Musikphys. und Musikermed. Abstracts of 8. European Congress on Performing Arts Medicine and Physiology of Music Making. 3 (2000), 126-127 Ch. Marquardt & N. Mai: Kinematic analysis in musicians´s cramp. Musikphys. und Musikermed. Abstracts of 8. European Congress on Performing Arts Medicine and Physiology of Music Making. 3 (2000), 114-115 E. J. Seidel, Ch. Wick, P. Günther: Retrospektive Studie zur Anamnesedauer von Fehlbelastungsschäden des Stütz- und Bewegungsapparates bei Musikern. Musikphys. und Musikermed. 2 (1997), 50-56

Source: http://www.musikermedizin.net/literat/Fokale%20Dystonie.pdf

Publication2

Volume 3, Issue 3 A Periodic Electronic Publication for & by the Staff of Winchester Public Schools Superintendent's Message Goal for the New Year Let's face it, New Year's resolutions don't get a whole lot of respect. Our annual rite of commit-ment, usually directed at self improvement—"this year I'm going to take 10 pounds off, and keepit off!" - is often long since forgotten by the time the winter snow melts and the first signs ofspring appear. I love the sentiment of the New Year's resolution. We mark the passage of timewith the turning of the calendar, and with it we make a commitment to do something better, tobe a healthier person, to do something extraordinary in our life. It's our lack of follow-throughthat I find disheartening.

Microsoft word - sicu_hcuv. empirical antibiotic therapy.doc

Table 1. By type of infection, microorganisms to be suspected in relation to the presence or not of risk factors for multidrug resistance and suggested empirical treatments [VAP: ventilador-associated pneumonia; MDR: multidrug resistance; ESBL: extended-spectrum β-lactamase; ESCPM group (Enterobacter cloacae, Enterobacter aerogenes, Serratia marcescens, Citrobacter freundii, Providencia rettgeri and Morganella morganii); MRSA: methicillin-resistant S. aureus; HACEK (Haemophilus spp., Aggregatibacter -formerly Actinobacillus- actinomycetemcomitans, Cardiobacterium hominis, Eikenella corrodens, Kingella spp)] INFECTION TYPE